Faszination Vliesstoff

Er ist ein echtes Multitalent. Er spielt seine Stärken in so unterschiedlichen Lebensbereichen wie Bekleidung, Haushalt und E-Mobilität aus und er ist sogar biologisch abbaubar: der Vliesstoff. Seit nunmehr 85 Jahren wirkt der Technologiekonzern Freudenberg an der Weiterentwicklung des Materials mit. Entscheidend dabei: Kluge Köpfe, die mutig neue Wege gehen.

 

Viele von uns kommen jeden Tag mit Vliesstoffen in Berührung. Oftmals, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das stoffartige Material steckt als leichtes und wärmendes Material in Kleidung. Aus ihm bestehen Mundschutzmasken, die in Zeiten der Corona-Pandemie zu einem Alltagsgegenstand wurden. Freudenberg produziert Vliesstoffe seit vielen Jahrzehnten und zwei seiner Experten haben entscheidend zu seiner Erfolgsstory beigetragen: Sie entwickelten neue Produktionsverfahren, optimierten bestehende Herstellungsprozesse und öffneten dem Material neue Märkte – über den Zeitraum mehrerer Jahrzehnte. Die beiden Vliesstoff-Pioniere waren Dr. Carl Ludwig Nottebohm (1904-2001) und Dr. Ludwig Hartmann (1925-2010).

Dr. Carl Ludwig Nottebohm: Aufbauarbeit und Offenheit

Der gebürtige Hamburger Dr. Carl Ludwig Nottebohm ebnete Freudenberg ab 1936 den Weg in die Welt der Vliesstoffe. Seine zahlreichen Patente und Ideen zur Vliesstoff- und Kunstlederproduktion legten den Grundstein für die bis heute anhaltende Expertise. Zunächst galt sein Hauptaugenmerk dem Aufbau einer Kunstlederproduktion. Schon 1937 gingen erste Taschen, Koffer und Geldbörsen in den Verkauf, die aus dem Freudenberg-Kunstleder gefertigt waren. Zeitgleich trieb der Chemiker die Weiterentwicklung der Vliesstoffe engagiert voran, die insbesondere als Trägermaterial nachgefragt wurden. Das von Dr. Nottebohm entwickelte Schaumverfahren sorgte daneben für eine Imprägnierung des Vliesstoffs, was dessen Stabilität positiv beeinflusste.

Unter seiner Ägide begann Freudenberg ab Ende der 1940er Jahre Vliesstoffe zudem als Einlagestoffe für Kleidung herzustellen. Bis heute ein bedeutender Verwendungszweck des Materials. Im gleichen Zeitraum trat der Vliesstoff „Made by Freudenberg“ seinen Siegeszug noch in einem ganz anderen Bereich an: der Reinigungsbranche. Das erste Reinigungstuch aus Vliesstoff war das vileda-Fenstertuch. Es fühlte sich an wie traditionelles Fensterleder – also „wie Leder“. Damit war der Markenname vileda geboren. Das Fenstertuch sowie viele weitere innovative Vileda-Produkte erleichtern bis heute das Reinigen und die Pflege von Glas, Haushaltsgegenständen und Fahrzeugen. Rasch erlangte Vileda große Popularität und wurde in vielen Ländern zum Inbegriff einer wachsenden Palette an Reinigungsprodukten. Ein Beleg für Dr. Nottebohms Gespür, welches Potenzial in den von ihm entwickelten Vliesstoffen lag.

Dr. Ludwig Hartmann: Neues Verfahren, neue Chancen

Den gleichen Entwicklergeist mit der Offenheit für neue Wege und Ideen konnte auch Dr. Ludwig Hartmann bei Freudenberg ausleben. Der 1957 zum Unternehmen gestoßene Chemiker begann das sogenannte Spinnvliesverfahren für Freudenberg zu entwickeln. Bis heute ist es fester Bestanteil der Vliesstoffproduktion.  Dabei werden Fasern aus Polymeren gewonnen und sogleich versponnen. Die Vereinigung der beiden Schritte im industriellen Maßstab eröffnete Freudenberg neue Möglichkeiten und Anwendungsgebiete. Im Spinnvliesverfahren produzierte Vliesstoffe eigneten sich bestens für neue Einsatzbereiche wie Landwirtschaft und Medizin.

Sei es als Erntevlies oder als Wundauflage: Dr. Hartmann war es auch, der die Internationalisierung der Spinnvliesproduktion bei Freudenberg vorantrieb. Mit Standorten in den USA und in Fernost war Freudenberg ab den 1980er Jahren in der Lage, vor Ort für diese Regionen Spinnvliesstoffe zu produzieren und so die Wege zu den Abnehmern zu verkürzen.

Auch nach dem altersbedingten Ausscheiden der beiden Vliesstoffpioniere hat Freudenberg die Weiterentwicklung des Materials mit seinen Experten entscheidend vorangetrieben. So spielt Vlies heute in zahlreichen Industriebranchen und unterschiedlichsten Anwendungen seine Vorteile aus. Im Hausbau findet es sich in Dachbahnen. Und in E-Fahrzeugen trägt es dazu bei, schadhafte Antriebe zu verhindern und den wichtigen Druckausgleich der sensiblen Batteriegehäuse zu ermöglichen. Einerseits, indem das Vlies elektrischen Funkenschlag im Antrieb ableitet. Andererseits, indem es bei der Notfallentgasung das Eindringen von Feuchtigkeit verhindert. Beide Innovationen realisierten verschiedene Freudenberg-Geschäftsbereiche, getreu dem Motto „Innovating Together“.

Innovationen und Nachhaltigkeit

Schon lange verfolgt Freudenberg bei der Vliesstoffproduktion einen nachhaltigen Ansatz. 1997 begann das Unternehmen als eines der ersten, PET-Flaschen für die Herstellung von Vlies wiederzuverwerten. Inzwischen stellt Freudenberg sogenannte Wattierungen aus Zellulosefasern her, die sich innerhalb von 60 Tagen im Boden abbauen, die sogenannten comfortemp® Tencel paddings. Solche Paddings sind besonders in Kleidung gefragt. Beispielsweise als Thermo-Isolierung in Funktionsjacken. Unter dem Namen „comfortemp® fiberball padding“ haben die Vliesstoff-Forscher rund um R&D-Specialist Sarah Ziem ein besonderes High-Tech-Vlies entwickelt. Die Weltneuheit wird in Jacken des italienischen Outdoorspezialisten Napapijri verarbeitet. Das Besondere: Die Wattierung besteht aus zusammenhängenden Faserbällchen. Das Material ist besonders weich, wärmend, atmungsaktiv und langlebig. Das macht es zu einer herausragenden Alternative für die bislang weit verbreitenden Daunenjacken. Zugleich ist das Vlies als zusammenhängende Meterware für die Produzenten einfacher zu verarbeiten als lose Daunen. Das erhöht die Designfreiheit. In einer Eco-Variante besteht comfortemp® fiberball padding aus zu 100 Prozent recycelten Faserbällchen.

Freudenberg beweist damit seinen Innovationsgeist auch bei Vliesstoffen. All dies basiert auf dem, was die beiden Vorreiter Dr. Carl Ludwig Nottebohm und Dr. Ludwig Hartmann aufgebaut haben. Und die heutige Forscher-Generation um Sarah Ziem setzt diese Tradition konsequent fort.

  • Vileda geht an den Start: Ab 1948 erfreut sich dieses Vliesprodukt aus dem Hause Freudenberg großer Beliebtheit.

  • Dr. Carl Ludwig Nottebohm (2.von links.) begutachtet gemeinsam mit Freudenberg-Kollegen (Von links: Günther Schiller (Vertriebsleiter Vliesstoffe), Dr. Carl Ludwig Nottebohm, Prof. Dr. Kurt Kraft (Mitglied der Unternehmensleitung, zuständig für Vliesstoffe) und Dr. Wilhelm Lauppe (Entwickler und zuständig für den Aufbau der Internationalen Vliesstoffproduktion) neue Vliesstoffe, 1962.

  • Der Prototyp: Dr. Ludwig Hartmann (links) und sein Mitarbeiter Gerhard Müller neben der von ihnen entwickelten Anlage zur Produktion von Spinnvliesen, 1962.

  • Wie alles begann: So startete die Vliesstoffproduktion bei Freudenberg im Jahr 1938.

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