
Ein ehrgeiziger Plan
„Glenmorangie Single Malt Scotch Whisky“ – der Name hat für Kenner einen besonderen Klang. Seit 1843 wird er in den schottischen Highlands produziert, mittlerweile ist er weltweit ein Begriff. Ihre Abwässer klärt die Destillerie mit Freudenberg-Technologie, damit die schottische Küste bald wieder die Heimat von Austernriffen ist. Es ist ein visionärer Beitrag zu einem europaweit einzigartigen Umweltprojekt.
Es ist ein kühler Novembertag in der schottischen Stadt Tain, die an einem Meeresarm, dem Dornoch Firth liegt. Im Stillhouse der Glenmorangie-Destillerie zeigt das Thermometer 36 Grad. Die hohen Mauern, das helle Holzgebälk und das große Buntglasfenster an der Stirnseite verleihen dem Raum die Atmosphäre eines Kirchenschiffes. Ein Sirren liegt in der Luft, es riecht süßlich und fruchtig. Hier schlägt das heiße Herz von Glenmorangie, oder besser: es kocht, brodelt, dampft. In zwölf Kesseln und über fünf Meter hohen Brennblasen aus Kupfer wird jener Feinbrand destilliert, der sich in samtigen Single Malt verwandelt, wenn er mindestens zehn Jahre in Eichenfässern ruhen darf.
Seit fast 180 Jahren stellt Glenmorangie Whisky her, der in aller Welt getrunken wird – mit Wasser aus der eigenen nahe gelegenen Quelle, schottischer Gerste, Hefe, Hitze sowie schier endloser Geduld und Erfahrung.
Wir respektieren und pflegen die Tradition sehr, aber wir bleiben nicht stehen, vor allem in puncto Nachhaltigkeit.
Dr. Peter Nelson, Operations Director
Für die Rückkehr der Austern
Nelson, der hier seit über 20 Jahren arbeitet, meint es ernst. Im Jahr 2014 initiierte Glenmorangie zusammen mit der Heriot Watt Universität und der Marine Conservation Society das Dornoch Environmental Enhancement Project (DEEP). Der Plan: Die Wasserqualität und Biodiversität an der hiesigen Küste durch die Wiederherstellung riesiger Austernbänke deutlich zu verbessern, die wiederum andere Tiere anziehen.
Parallel zu diesem ehrgeizigen Projekt arbeitet Glenmorangie seit geraumer Zeit daran, negative Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern, indem es die Nebenprodukte der Destillation reinigt, einschließlich des Abwassers, welches in den Dornoch-Meeresarm eingeleitet wird. Dabei spielt die Membran-Technologie des zur Freudenberg-Gruppe gehörenden britischen Unternehmens Aquabio eine entscheidende Rolle.
Im Einklang mit der Natur
Im Jahr 2017 unternahm Glenmorangie mit der Eröffnung einer hochmodernen Kläranlage für die Destillerie einen großen Schritt, um die Vision zu verwirklichen. Seitdem werden in der Anlage die Nebenprodukte der Destillation von Bakterien abgebaut – unter Ausschluss von Sauerstoff. Ein Prozess, der als anaerober Abbau bezeichnet wird. Die entstehenden Komponenten Biogas, kupferreicher Schlamm und Wasser können der Umwelt zugutekommen. Das Biogas wird zur Erzeugung von Dampf genutzt, der die Destillerie mit Strom versorgt und Glenmorangies Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen damit um 15 Prozent reduziert. Der Schlamm, der Kupfer aus den Brennblasen von Glenmorangie enthält, wird an Gerstenbauern in der Region verteilt. So müssen sie weniger Düngemittel für ihre Böden zukaufen, die von Natur aus kupferarm sind.
Das Entscheidende aber ist: Das Schmutzwasser, das Glenmorangie ins Meer leitet, hat einen um 95% reduzierten biochemischen Sauerstoffbedarf (ein Maß für organische Verunreinigungen im Wasser), so dass seine Auswirkungen auf die Meereswelt minimal sind
In die Zukunft investieren
Obwohl die Betriebskosten gering sind, bedeutet der Bau der Anlage eine Investition von einigen Millionen Euro – ein klares Zeichen von Glenmorangies Engagement für seine Umwelt. Der Clou des Systems verbirgt sich in einem Raum, in dem Business Development Manager Phil Lynch vom Freudenberg-Unternehmen Aquabio auf 16 weiße, jeweils sechs Meter lange Rohre deutet. In ihnen wird das Abwasser in mehreren Durchgängen mit Hilfe spezieller Membranen gefiltert, bis es die gewünschte Qualität erreicht hat. Die Membranen sind sehr wartungsarm und müssen lediglich alle sieben bis acht Jahre ausgetauscht werden.
Abwasserreinigung mit unserem Membransystem ist ein weitgehend mechanischer, energiearmer und zuverlässiger Prozess.
Business Development Manager Phil Lynch von Aquabio
Ein beherzter Schritt
Langfristig will Glenmorangie seine Destillerie vollständig von nicht wiederverwertbaren Abfällen befreien und ausschließlich erneuerbare Energien nutzen. „Wir versuchen ernsthaft, die Auswirkungen auf die Umwelt weiter zu reduzieren“, sagt Peter Nelson und geht einen Schotterweg entlang, der hinunter ans Meer führt. „Das geht nicht von heute auf morgen, aber wenn man wie wir Whisky herstellt, denkt man ja automatisch in Zeiträumen von zehn Jahren und mehr. Unser DEEP-Projekt ist ein beherzter Schritt in diese Richtung.“
Austern im Ökosystem
Nelson deutet hinaus aufs Meer, das an diesem Tag ganz ruhig ist. Hier im Dornoch-Meeresarm sollen große Austernriffe entstehen, wie es sie tausende von Jahren gab, bevor sie Anfang des 20. Jahrhunderts durch Überfischung zerstört wurden. „Die Austern filtern unser gereinigtes Wasser während der Fütterung noch einmal – und sollten schließlich die restlichen fünf Prozent der organischen Verunreinigungen auf natürliche Weise abbauen“, fügt er hinzu. Eine Europäische Auster filtert pro Tag bis zu 240 Liter Wasser. Austernriffe reinigen das Meerwasser, bilden den Laichgrund und Lebensraum vieler anderer Meereslebewesen, treiben den Nährstoffkreislauf an und stabilisieren die Küstenzone.
Zum Schutz der Meere
Im Rahmen des Projekts haben Meeresforscher seit Oktober 2018 bereits 20.000 einheimische Austern sorgfältig auf dem Meeresboden platziert. Bis 2025 soll die Anzahl auf vier Millionen wachsen, bis schließlich ein 40 Hektar großes, sich selbst erhaltenes Austernriff entstanden ist. Es ist das erste Mal in Europa, dass so etwas versucht wird.
Dr. Bill Sanderson, DEEP-Forschungsdirektor und Professor für marine Biodiversität an der Heriot Watt Universität bezeichnet das Projekt als „Wendepunkt für den Schutz der Meere“. Die bahnbrechende Arbeit von DEEP im Dornoch Firth beweise, dass es möglich ist, Austern in Gebiete zurückzubringen, in denen sie ausgestorben sind. Das Projekt am Dornoch Firth ist Teil der länderübergreifenden Native Oyster Restoration Alliance (NORA) mit dem großen Ziel, die Austernriffe an Europas Küsten wiederherzustellen.
Ein Erfolg würde sich positiv auf die Biodiversität des Meeres und die regionale Wirtschaft auswirken. „Dieser Ort hier ist seit 175 Jahren unser Zuhause,“ sagt Nelson. „Und wir wollen sicherstellen, dass der besondere Lebensraum des Firth auch für die nächsten 175 Jahre erhalten bleibt.“