Fehler inklusive

Innovationsprozess

Die Unternehmenskultur bei Freudenberg ist offen für Experimente, auch wenn diese scheitern können. Denn im Innovationsprozess ist nichts ein Misserfolg, wenn es gelingt, die gewonnenen Erkenntnisse, die sogenannten „lessons learned“, gut zu nutzen. Heute, am Tag des Fehlers, zeigen wir in Schlaglichtern, welche positiven Aspekte er für Produkte und Prozesse bei Freudenberg hat.

Von der Gartenpflege bis zum Backen – das Netz ist voll von Ratgebern, wie man häufige Fehler vermeidet. Menschen, die deswegen ihre Rosen richtig zurückschneiden oder einen köstlichen Kuchen aus dem Ofen ziehen, profitieren also davon, dass andere dabei schon gescheitert sind. Und, dass sie offen darüber gesprochen haben. Mitarbeitende von Freudenberg beschäftigen sich allenfalls privat mit Rosen und Kuchenbacken, doch auch im professionellen Umfeld des Technologiekonzerns gilt: Fehler ist nicht gleich Fehler. Denn in vielen Fällen ist ein vermeintliches Scheitern – oder besser: das Unerwartete und Unplanbare – genau das Richtige, wenn man sich positiv darauf einstellt und daraus lernt.

Es beginnt mit Prototypen

In einem der ältesten Gebäude am Freudenberg-Hauptstandort Weinheim beugen sich Mitarbeitende aus Physik, Maschinenbau, Mechatronik und weiterer Fachrichtungen konzentriert über einen Tisch mit elektrischen Bauteilen. Von außen nicht direkt sichtbar: In dem kernsanierten, rund 100 Jahre alten Bau wird an der Zukunft getüftelt. Denn im e-Products Lab der Geschäftsgruppe Freudenberg Home and Cleaning Solutions entstehen neue elektrische Reinigungsgeräte wie der Vileda-JetClean. Die akku- oder netzbetriebenen Geräte sind meist Konstruktionen aus weit mehr als 100 Bauteilen. Entsprechend komplex und anspruchsvoll ist die Entwicklungsarbeit. Das Gleiche gilt für Tests und Zulassung, um ein Produkt in den Handel zu bringen. „Die Arbeit an Prototypen und die Analyse von unerwarteten Verhaltensweisen bringt uns enorm weiter“, sagt R&D Director Christian Stenglein. Es kann beispielsweise vorkommen, dass an der Gummilippe eines Saugwischers mit dutzenden Versionen ausprobiert wird, welche Version das beste Reinigungsergebnis erzielt. „Wir sehen die einzelnen Schritte jedoch nicht als Fehler, sondern als Erkenntnisgewinn an. Dieser Aufgabe widmen wir uns daher intensiv und strukturiert, um weiterzukommen.“ Kein Einzelfall in der Freudenberg Gruppe.

 

Eine Sache der Einstellung

Eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen hilft dabei, je nach Projektart, die passende Vorgehensweise zu nutzen. Neben dem klassischen Projektmanagement zählen dazu Design Thinking, die Kanban- oder auch die Scrum-Methode. Dr. Stephanie Lambertz ist Scrum Masterin bei Freudenberg Technology Innovation (FTI). Scrum bedient sich Erkenntnissen aus den Welten von Teamsport und IT, um die Innovationsgeschwindigkeit von Unternehmen voranzutreiben. „Eine Fehlerkultur gibt es in jedem Unternehmen, denn Fehler passieren“, so Lambertz. „Was wir mit dem Begriff eigentlich meinen, ist eine positive Haltung dazu und die ist maßgebend.“ Ein Leitspruch, den Lambertz in ihrer Teamarbeit besonders wertvoll findet, lautet: „Es ist egal, was wir entdecken. Wir glauben zutiefst, dass jeder nach besten Kräften gearbeitet hat, wenn wir den aktuellen Wissensstand, die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die verfügbaren Ressourcen und die derzeitige Situation zugrunde legen.“ Mit Scrum managen Projektteams komplexe Aufgaben, häufig im IT-Bereich, durch schrittweise Annäherung. Das Produkt wird nicht zu Beginn eines Projekts bis ins Detail geplant, sondern auf Basis der Produktvision in regelmäßigen Iterationen (Sprints) und Inkrementen (voll nutzbare Produktteile), sowie in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden entwickelt. Nach jedem Sprint finden Feedback-Runden mit Team und Kunden statt. „Dabei fragen wir nicht, welche Fehler wir gemacht haben, sondern was wir beim nächsten Sprint besser machen können. Es kommt auf die Perspektive an.“ 

Dabei fragen wir nicht, welche Fehler wir gemacht haben, sondern was wir beim nächsten Sprint besser machen können. Es kommt auf die Perspektive an.

Dr. Stephanie Lambertz, Scrum Master bei Freudenberg Technology Innovation

Doch nicht nur im Entwicklungsprozess ist es wichtig, Fehler als positiven Beitrag zu verstehen und strukturiert einzubeziehen, um Erkenntnisse für künftige Produkte zu nutzen. Auch bei bereits entwickelten Bauteilen können Fehler auftreten. Obwohl Fehler zunächst ärgerlich sind, bietet sich hier auch die Chance für Innovationen. Das Kernteam der Failure Analysis Abteilung besteht aus sieben Mitarbeitenden mit umfangreicher Expertise auf ihren Werkstoffgebieten Metalle, Elastomere, Thermoplaste und Verbunde. Sie führen die Schadensanalysen in einem systematischen Prozess aus und bestimmen so die Schadensmechanismen und zusammen mit dem Produktverantwortlichen die Ausfallursache. Daher ist der Dialog besonders wichtig. Zum Wissensaustausch findet in regelmäßigen Abständen eine konzernweite Schadensanalysekonferenz mit den Experten aus den unterschiedlichen Geschäftsgruppen statt. Ein Projekt, das den Dialog und Austausch von Informationen in Zukunft weiter verbessern und vereinfachen soll, ist ein Schadensanalyse-Management-System. „Man kann sich das vereinfacht vorstellen wie ein digitales Archiv von Schadenfällen, das sowohl die Ergebnisse als auch die ‚lessons learned‘ von Schadensfällen zur Verfügung stellt“, sagt Projektleiter Dr. Benjamin Kloeckner. Das Team verfolgt damit zwei Ziele. Zum einen die Verringerung des Aufwands bei neuen Schäden und zum anderen die Schadensprävention bei Neuentwicklungen.

 

Fehler digital machen

Machen wir Sprung zu einem weiteren Aspekt der Digitalisierung im Umgang mit Fehlern. Denn hier spielen auch Simulationen eine große Rolle. „Wenn wir bereits vorab wissen, wie sich ein Produkt im Feld unter verschiedenen Umwelteinflüssen und Betriebsbedingungen verhält, können wir den gesamten Produktlebenszyklus effizienter und nachhaltiger gestalten“, sagt Dr. Patrick Martini, Leiter der FTI Abteilung Digital Modeling. Mit Simulationen lässt sich die Anzahl von oftmals aufwendigen und teuren Experimenten unter Einsatz von Prototypen drastisch reduzieren. Zusätzlich lassen sich auf diese Weise Bauteile bereits vor ihrer realen Herstellung gezielt auf den jeweiligen Anwendungsfall hin optimieren. Hier kommt die Idee des „Digitalen Zwillings“ ins Spiel: Die Abteilung bildet hierzu spezifische Produkte oder Prozesse, wie etwa Filteranlagen oder Dichtungen, detailgenau in der virtuellen Welt ab. So kann eine Vielzahl an Einflussparametern bereits vorab digital und ressourcenschonend am virtuellen Objekt ausgetestet werden.